VON PETRA A. ZIELINSKI
Bis Juni hatte die Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg als einzige IHK in Hessen eine „Fachberatung für Inklusion“ eingerichtet. Seit Anfang Juni hat die IHK Kassel-Marburg ebenfalls eine solche Stelle neu besetzt. Was ist deren Aufgabe?„Die Zahl der Arbeitsplätze, die mit behinderten Menschen besetzt sind, ist zwar in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, dennoch liegt der Anteil der Menschen mit Behinderung, die in den Arbeitsmarkt integriert sind, bei weniger als einem Drittel“, bedauert Samantha Fischer, deren Stelle als Fachberaterin für Inklusion bei der IHK Gießen-Friedberg vom Landeswohlfahrtsverband Hessen Integrationsamt (LWV Hessen Integrationsamt) gefördert wird. Oftmals seien Unternehmen nicht hinreichend über die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten bei der Beschäftigung behinderter Menschen informiert. Das möchte Samantha Fischer ändern. Neben Ansprachen von Betrieben finden aus diesem Grund in regelmäßigen Abständen unter anderem Treffen mit den Mitarbeiterinnen der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) statt, zuletzt in den Räumen der IHK Gießen-Friedberg am Goetheplatz in Friedberg.
Die EAA werden, wie die Fachberatung für Inklusion bei den IHKs, aus der Ausgleichsabgabe finanziert. Das ist die Abgabe, die Arbeitgeber zahlen, die beschäftigungspflichtig sind, aber keinen oder zu wenige schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Die EAA-Stellen für die Wetterau und den Vogelsberg sind bei der Diakonie, die EAA Gießen beim Förderverein für seelische Gesundheit e.V. angesiedelt. Insgesamt gibt es in Hessen bisher 21 EAA-Fachberater, die trägerunabhängig agieren. Während die EAA-Fachberaterinnen Larissa Albohn (Gießen), Kathrin Saskia Pirr (Wetterau) und Judith Kremer (Vogelsberg und Fulda) branchenübergreifend im Wesentlichen die Arbeitgeber informieren, die ihre Ansprechpartner noch nicht kennen, weil sie bisher keinen Kontakt mit dem Integrationsfachdienst oder dem Integrationsamt hatten, steht Samantha Fischer ausschließlich den Mitgliedsbetrieben der IHK Gießen-Friedberg beratend zur Verfügung und kann auch hinsichtlich der Arbeitnehmer unterstützen. „Ziel ist es, Inklusion als IHK-eigenes Thema zu etablieren und weiter auszubauen“, unterstreicht sie. „Die Gründe für eine Behinderung können vielfältig sein“, erklärt Judith Kremer. Die meisten Menschen würden das Wort Behinderung sofort mit einem Rollstuhl assoziieren. Dabei könne auch eine organische Erkrankung, wie zum Beispiel Diabetes oder eine seelische Erkrankung wie Depressionen dahinterstecken. Statistisch sei jeder Elfte von einer Schwerbehinderung betroffen. Die meisten Menschen mit Behinderungen seien gut qualifiziert. Wie Samantha Fischer erfüllen auch die EAA-Beraterinnen eine Lotsenfunktion. „Da unser Angebot neu ist, können wir nicht auf Erfahrungen zurückgreifen“, merkt Judith Kremer an. Im Vogelsbergkreis gehe sehr viel über persönliche Kontakte. „Wir sind aktuell dabei, unser Beratungsangebot bekannt zu machen“, betont auch Larissa Albohn. Dazu gehörten Messebesuche ebenso wie die Akquise vor Ort und das Verteilen von Flyern. Wichtig sei es auch, die Betriebe aufzuklären und zu sensibilisieren. „Wir beraten, was im Betrieb zu tun ist, um die Inklusion voranzutreiben“, ergänzt Kathrin Saskia Pirr. Viele Dinge ließen sich bereits im Vorfeld klären. Wichtig sei eine Positionierung nach außen, beispielsweise mit einer Aussage zur Offenheit für die Beschäftigung behinderter Menschen in einer Stellenausschreibung.
Samantha Fischer weist darauf hin, dass die Ausgleichsabgabe ab 2024 erhöht werden soll. Ab dem 1. Januar 2024 wird eine vierte Staffel der Ausgleichsabgabe für die sogenannten Null-Beschäftiger eingeführt. Für diese Arbeitgeber verdoppelt sich dann die monatliche Ausgleichsabgabe von derzeit 360 Euro auf 720 Euro. Sie ist erstmals zum 31. März 2025 zu zahlen. Dabei bestehen vielfältige Fördermöglichkeiten bei der Beschäftigung behinderter Menschen, sagte Samantha Fischer. Von diesen Leistungen würden Arbeitgeber profitieren, denn soziales Engagement dürfe sich rechnen. „Vor allem kleinere und mittlere Betriebe sind häufig nicht ausreichend informiert“, bedauert sie. Umso wichtiger sei es, einen Ansprechpartner für alle Belange rund um das Thema Inklusion zu haben. „Zur Fachkräftesicherung ist die Erschließung aller Zielgruppen unabdingbar“, verdeutlicht Kai Schelberg, Leiter des IHKGeschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung. Der Arbeitnehmermangel werde weiter zunehmen, da die Babyboomer in Rente gingen. „Ich hoffe, dass sich künftig mehr Betriebe für das Thema Inklusion öffnen werden.“
IHK-Inklusionsberaterin
Samantha Fischer
Telefon: 06031 609-3150
E-Mail: samantha.fischer@giessen-friedberg.ihk.de
EAA Fachberaterin
Larissa Albohn
Telefon: 0641 97576-15
Mobil: 0151 221 295 19
E-Mail: albohn@eaa-giessen.de
EAA-Fachberaterin
Kathrin Saskia Pirr
Telefon: 06031 7252 134
Mobil: 0151 59006216
E-Mail: kathrinsaskia.pirr@regionale-diakonie.de
EAA-Fachberaterin
Judith Kremer
Telefon: 0661 250179-17
E-Mail: eaa(at)diakonie-fulda.de