Jobcarving: Stellenprofile neu denken und Inklusion fördern

Job­car­ving – Was ver­birgt sich da­hin­ter?

„Job-Car­ving“ kommt vom eng­li­schen Be­griff „to car­ve“ und be­deu­tet wört­lich „eine Ar­beits­stel­le schnit­zen“. Das be­deu­tet in der Pra­xis, dass Auf­ga­ben in­ner­halb ei­nes Un­ter­neh­mens so or­ga­ni­siert wer­den, dass ein Ar­beits­platz ent­steht, der ge­nau auf die Fä­hig­kei­ten ei­ner be­stimm­ten Per­son ab­ge­stimmt ist. So kann bei­spiels­wei­se er­mög­licht wer­den, dass Men­schen mit ei­ner Be­hin­de­rung, eine auf sie zu­ge­schnit­te­ne Tä­tig­keit aus­üben. Gleich­zei­tig kön­nen an­de­re Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Tei­le ih­rer Auf­ga­ben ab­ge­ben und sich stär­ker auf ihre Kern­tä­tig­kei­ten kon­zen­trie­ren. 

Job­car­ving fördert also die Integration von Menschen, für die der Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen eine Herausforderung darstellt. Jobcarving ist innovativ und fördert die Inklusion – dies ist auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel von Bedeutung. Denn beim Jobcarving kann es sowohl darum gehen, langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, als auch neue Fachkräfte oder Auszubildende zu gewinnen.

Job­car­ving – Bei­spie­le aus der Pra­xis

Bei den al­ler­meis­ten Be­ru­fen gibt es Tä­tig­kei­ten, die den Ar­beits­fluss des Fach­per­so­nals stö­ren, die im­mer wie­der lie­gen blei­ben, die sich stark wie­der­ho­len oder auch Tä­tig­kei­ten, die nicht die Qua­li­fi­ka­ti­on des Fach­per­so­nals vor­aus­set­zen. Eben jene Tä­tig­kei­ten kön­nen durch Job­car­ving aus­ge­la­gert bzw. neu struk­tu­riert wer­den, um Fach­kräf­te zu ent­las­ten und z. B. für Men­schen mit ei­ner Be­hin­de­rung Stel­len zu schaf­fen, die ih­ren Fä­hig­kei­ten ent­spre­chen. Tä­tig­keits­bei­spie­le kön­nen in die­sem Zu­sam­men­hang sein: Ar­chi­vie­rung und Pfle­ge von Da­ten oder Vor­be­rei­tung von Un­ter­la­gen oder Mee­tings etc. Job­car­ving.

Andrea Seeger, Geschäftsführerin von Access - Inklusion im Arbeitsleben gGmbH, betont: „Wir denken in Tätigkeiten, statt in Berufen“. Es geht darum, die Schnittmenge zwischen den individuellen Fähigkeiten und den betrieblichen Anforderungen zu finden. Jobcoaches bzw. Inklusionsberaterinnen und Inklusionsberater übernehmen dabei, so Andrea Seeger weiter, eine wichtige Steuerungsfunktion im Prozess der Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Sie berichtet von der erfolgreichen beruflichen Inklusion einer Bistrohilfe in einer Großbäckerei. Diese übernimmt zunächst Tätigkeiten wie beispielsweise das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine, das Abwischen und Desinfizieren der Tische oder das Aufbacken von Teiglingen. Inzwischen ist sie seit 7 Jahren als Bistrohilfe angestellt und erhielt 2022 durch die Industrie- und Handelskammer ein Zertifikat, welches bestätigt, dass ihre Berufskompetenzen gleichwertig mit einem Berufsabschluss zur Fachkraft im Gastgewerbe sind. 

Sie sind als Arbeitgeber offen für die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung, haben aber keine Erfahrung und viele Fragen? Dann unterstützen in ganz Deutschland die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber [EAA]. Die EAA sind bundesweit installierte Anlaufstellen für Arbeitgeber, die Informationen, Beratung und Unterstützung zu allen Fragen rund um die Beschäftigung und Ausbildung von Menschen mit Schwerbehinderung bieten. Sie beraten zu den spezifischen Fördermöglichkeiten und helfen bei der Kontaktaufnahme zu den richtigen Stellen vor Ort. Das Angebot der EAA ist für Arbeitgeber kostenlos. 

Yücel Akdeniz, EAA-Fachberater in Hessen, berichtet von einem erfolgreichen Beispiel aus der Baubranche. In diesem haben sich Arbeitgeber und potentieller Arbeitnehmer zunächst über ein Praktikum kennengelernt, aus dem im weiteren Verlauf eine passgenaue Arbeitsstelle entstanden ist. Eine Win-Win-Situation also für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zudem weist Yücel Akdeniz darauf hin, dass schwerbehinderte Menschen vielfach motiviert und gut qualifiziert sind. Für Unternehmen sind diese Menschen also ein Potenzial. Ein weiterer Tipp von Yücel Akdeniz: Die sogenannte „Fachpraktikerausbildung". Diese orientiert sich an den Ausbildungsinhalten anerkannter Ausbildungsberufe, der Theorie-Anteil ist jedoch geringer, weshalb sie oft auch als „theoriereduzierte Ausbildung“ bezeichnet wird. Die Fach­prak­ti­ker­aus­bil­dung ist in unterschiedlichen Berufen möglich, darunter zum Beispiel in der IT-Systemintegration oder der Metalltechnik.

Fa­zit: Job­car­ving als zu­kunfts­wei­sen­des Kon­zept

Jobcarving: Eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Fachkräfte können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, während Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Fähigkeiten arbeiten und gesellschaftliche Teilhabe erfahren. Zudem bietet Jobcarving auch fi­nan­zi­el­le Vor­tei­le für Un­ter­neh­men, etwa durch finanzielle Fördermöglichkeiten und Wegfall der Ausgleichsabgabe. 

Job­car­ving ist ein zu­kunfts­wei­sen­des Kon­zept, das die ge­sell­schaft­li­che und be­ruf­li­che In­klu­si­on von Men­schen för­dert, für die die Teil­ha­be am Ar­beits­le­ben eine Her­aus­for­de­rung dar­stellt. Gleich­zei­tig kann Job­car­ving die Ef­fi­zi­enz in Un­ter­neh­men stei­gern, Fach­per­so­nal ent­las­ten und bie­tet Un­ter­neh­men nicht zu­letzt fi­nan­zi­el­le Vor­tei­le. In­dem Auf­ga­ben neu ge­dacht und an die Fä­hig­kei­ten der ein­zel­nen Per­so­nen an­ge­passt wer­den, kann ein Ar­beits­um­feld ent­ste­hen, das ei­ner­seits Viel­falt und In­klu­si­on schafft und an­de­rer­seits zur Fach­kräf­te­ge­win­nung und- si­che­rung bei­trägt.

Text von Anna Krämer, erstmals erschienen am 21.11.2024 auf der Homepage des Netzwerks Q4.0

EAA-Fachberater
Yücel Akdeniz     
Telefon: 06151 2710-37
Mobil: 0170 9206841
E-Mail: akdeniz.yuecel@bwhw.de

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